
Der öffentliche Raum dient als Umschlagplatz öffentlichen, gesellschaftlichen Lebens. Die Böden der Städte erzeugen wiederkehrende Muster und gestalten das Stadtbild mit. Steine, Asphalt, Gemäuer sind vom Wetter gezeichnet. In ihren Ritzen sammelt sich, was wir fallen lassen. Neben Staub und Dreck gibt es dort auch Leben. Geschützt von Stoffen. Strukturen, die als Beweis einer unsichtbaren menschlichen Existenz dienen.
Alles zusammen ergibt die Textur der Stadt und bildet die Lebenswirklichkeit obdach- und wohnungsloser Menschen, die gezwungen sind, alles Intime schutzlos in der Öffentlichkeit auszuüben. Das Bild vom schamlosen, suchtkranken, kriminellen Mann ist in unseren Köpfen etabliert und wird stetig weiter propagiert. Wo nicht genau hingeschaut und hingehört wird, ersetzen Vorurteile Wissen und eine große Gruppe von unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Biografien wird stigmatisiert, ihr Verhalten kriminalisiert, sodass ihre bloße Anwesenheit Unsicherheit in Teilen der Bevölkerung auslöst. Sichtbare Armut steht dem idealen Bild einer Stadt im Weg und so kann dieses Unsicherheitsgefühl zum Anlass genommen werden, gegen die Sichtbarkeit obdachloser Menschen vorzugehen. Sie werden räumlich verdrängt, dahin geschoben, wo sie nicht gesehen werden und damit raus aus den Köpfen der Gesellschaft. Für die Betroffenen selbst ist ihre Situation oft schambesetzt und wird versteckt so gut es geht. Wer als ‚arm‘ gelesen wird und dem Typ ‚obdachlos‘ entspricht, dem drohen repressive Maßnahmen, Ausgrenzung, Ablehnung und Gewalt.
Je besser sich das Individuum als allein schuldig an seiner Situation präsentieren lässt, desto eher bleibt das System unkritisiert.






Nora Wistof-Jebbara
Die Unsichtbaren der Städte. Verdrängung obdachloser Menschen aus der öffentlichen Wahrnehmung
Fotografie und Bildmedien